Deutsche Dichtkunst
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Der Taucher
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"Wer wagt es, Rittersmann oder Knapp,
 Zu tauchen in diesen Schlund?
 Einen goldnen Becher werf' ich hinab.
 Verschlungen schon hat ihn der schwarze Mund,
 Wer mir den Becher kann wieder zeigen,
 Er mag ihn behalten, er ist sein eigen."
 Der König spricht es und wirft von der Höh'
 Der Klippe, die schroff und steil
 Hinaushängt in die unendliche See,
 Den Becher in der Charybde Geheul,
 "Wer ist der Beherzte, ich frage wieder,
 Zu tauchen in diese Tiefe nieder?"
 Und die Ritter, die Knappen um ihr her
 Vernehmen's und schweigen still,
 Sehen hinab in das wilde Meer,
 Und keiner den Becher gewinnen will,
 Und der König zum drittenmal wieder fraget:
 "Ist keiner, der sich hinunter waget?"
 Doch alles noch stumm bleibt wie zuvor,
 Und ein Edelknecht, sanft und keck,
 Tritt aus der Knappen zagendem Chor,
 Und den Gürtel wirft er, den Mantel weg,
 Und alle die Männer umher und Frauen
 Auf den herrlichen Jüngling verwundert schauen.
 Und wie er tritt an des Felsen Hang
 Und blickt in den Schlund hinab
 Die Wasser, die sie hinunterschlang,
 Die Charybde jetzt brüllend wiedergab
 Und wie mit des fernen Donners Getose
 Entstürzen sie schäumend dem finstern Schoße.
 Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
 Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
 Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt
 Und Flut auf Flut sich ohn' Ende drängt,
 Und will sich nimmer erschöpfen und leeren,
 Als wollte das Meer noch ein Meer gebären.
 Doch endlich, da legt sich die wilde Gewalt,
 Und schwarz aus dem weißen Schaum
 Klafft hinunter ein gähnender Spalt,
 Grundlos, als ging's in den Höllenraum,
 Und reißend sieht man die brandenden Wogen
 Hinab in den strudelnden Trichter gezogen.
 Jetzt schnell, eh' die Brandung wiederkehrt,
 Der Jüngling sich Gott befiehlt,
 Und - ein Schrei des Entsetzens wird rings gehört,
 Und schon hat ihn der Wirbel hinweggespült,
 Und geheimnisvoll über dem kühnen Schwimmer
 Schließt sich der Rachen, er zeigt sich nimmer.
 Und stille wird's über dem Wasserschlund,
 In der Tiefe nur brauset es hohl,
 Und bebend hört man von Mund zu Mund;
 "Hochherziger Jüngling, fahre wohl!"
 Und hohler und hohler hört man's heulen,
 Und es harrt noch mit bangem, mit schrecklichem Weilen.
 Und wärfst du die Krone selber hinein
 Und sprächst; wer mir bringet die Kron',
 Er soll sie tragen und König sein -
 Mich gelüstete nicht nach dem teuren Lohn.
 Was die heulende Tiefe da unten verhehle,
 Das erzählt keine lebende glückliche Seele.
 Wohl manches Fahrzeug, vom Strudel gefaßt,
 Schoß gäh in die Tiefe hinab,
 Doch zerschmettert nur rangen, sich Kiel und Mast
 Hervor aus dem alles verschlingenden Grab -
 Und heller und heller, wie Sturmes Sausen,
 Hört man's näher und immer näher brausen. 
 Und es wallet und siedet und brauset und zischt,
 Wie wenn Wasser mit Feuer sich mengt,
 Bis zum Himmel spritzet der dampfende Gischt,
 Und Well' auf Well' sich ohn' Ende drängt,
 Und wie mit des fernen Donners Getose
 Entstürzt es brüllend dem finstren Schoße.
 Und sieh! aus dem finster flutenden Schoß
 Da hebet sich's schwanenweiß,
 Und ein Arm und ein glänzender Nacken wird bloß,
 Und es rudert mit Kraft und mit emsigem Fleiß,
 Und er ist's, und hoch in seiner Linken
 Schwingt er den Becher mit freudigem Winken.
 Und atmete lang' und atmete tief
 Und begrüßte das himmlische Licht.
 Mit Frohlocken es einer dem andern rief;
 "Er lebt! Er ist da! Es behielt ihn nicht!
 Aus dem Grab, aus der strudelnden Wasserhöhle
 Hat der Brave gerettet die lebende Seele."
 Und der kommt, es umringt ihn die jubelnde Schar,
 Zu des Königs Füßen er sinkt,
 Den Becher reicht er ihm knieend dar,
 Und der König der lieblichen Tochter winkt,
 Die füllt ihn mit funkelndem Wein bis zum Rande,
 Und der Jüngling sich als zum König wandte:
 "Lange lebe der König! Es freue sich,
 Wer da atmet im rosigen Licht!
 Da unten aber ist's fürchterlich,
 Und der Mensch versuche die Götter nicht
 und begehre nimmer und nimmer zu schauen,
 Was sie gnädig bedecken mit Nacht und Grauen.
 Es riß mich hinunter blitzesschnell -
 Da stürzt' mir aus felsigem Schacht
 Entgegen ein reißender Quell:
 Mich packte des Doppelstroms wütende Macht,
 Und wie einen Kreisel mit schwindelndem Drehen
 Trieb mich's um, ich konnte nicht widerstehen.
 Da zeigt' mir Gott, zu dem ich rief
 In der höchsten schrecklichen Not,
 Aus der Tiefe ragend ein Felsenriff,
 Das erfaßt' ich behend und entrann dem Tod -
 Und da hing auch der Becher an spitzen Korallen,
 Sonst wär' er ins Bodenlose gefallen.
 Denn unter mir lag's noch, bergetief,
 In purpurner Finsternis da,
 Und ob's hier dem Ohre gleich ewig schlief,
 Das Auge mit Schaudern hinuntersah,
 Wie's von Salamandern und Molchen, Drachen
 Sich regte in dem furchtbaren Höllenrachen.
 Schwarz wimmelten da, in grausem Gemisch,
 Zu scheußlichen Klumpen geballt,
 Der stachlichte Roche, der Klippenfisch,
 Des Hammers greuliche Ungestalt,
 Und dräuend wies mir die grimmigen Zähne
 Der entsetzliche Hai, des Meeres Hyäne.
 Und da hing ich und war's mir mit Grausen bewußt
 Von der menschlichen Hilfe so weit,
 Unter Larven die einzige fühlende Brust,
 Allein in der gräßlichen Einsamkeit,
 Tief unter dem Schall der menschlichen Rede
 Bei den Ungeheuern der traurigen Öde.
 Und schaudernd dacht' ich's, da kroch's heran,
 Regte hundert Gelenke zugleich,
 Will schnappen nach mir - in des Schreckens Wahn
 Laß' ich los der Koralle umklammerten Zweig:
 Gleich faßt mich der Strudel mit rasendem Toben,
 Doch es war mir zum Heil, er riß mich nach oben."
 Der König darob sich verwundert schier
 Und spricht: "Der Becher ist dein,
 Und diesen Ring noch bestimm' ich dir,
 Geschmückt mit dem köstlichsten Edelgestein,
 Versuchst du's noch einmal und bringst mir Kunde,
 Was du sahst auf des Meers tiefunterstem Grunde."
 Das hörte die Tochter mit weichem Gefühl,
 Und mit schmeichelndem Munde sie fleht;
 "Laßt, Vater, genug sein das grausame Spiel!
 Er hat Euch bestanden, was keiner besteht,
 Und könnt ihr des Herzens Gelüsten nicht zähme!
 So mögen die Ritter den Knappen beschämen."
 Drauf der König greift nach dem Becher schnell,
 In den Strudel ihn schleudert hinein;
 "Und schaffst du den Becher mir wieder zur Stell',
 So sollst du der trefflichste Ritter mir sein
 Und sollst sie als Ehgemahl heut' noch umarmen,
 Die jetzt für dich bittet mit zarten Erbarmen."
 Da ergreift's ihm die Seele mit Himmelsgewalt,
 Und es blitzt aus den Augen ihm kühn,
 Und es siehet erröten die schöne Gestalt
 Und sieht sie erbleichen und sinken hin -
 Da treibt's ihn, den köstlichen Preis zu erwerben,
 Und stürzt hinunter auf Leben und Sterben.
 Wohl hört man die Brandung, wohl kehrt sie zurück,
 Sie verkündigt der donnernde Schall -
 Da bückt sich's hinunter mit liebendem Blick;
 Es kommen, es kommen die Wasser all,
 Sie rauschen herauf, sie rauschen nieder,
 Doch den Jüngling bringt keines wieder.
Der Knabe im Moor
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Oh schaurig ists übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Heiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt,
O schaurig ists übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!

Fest hält die Fibel das zitternde Kind
Und rennt, als ob mann es jage;
Hohl über die Fläche sauset der Wind -
Was raschelt drüben am Hage?
Das ist der gespenstische Gräberknecht,
Der dem Meister die besten Torfe verzecht;
Hu, hu, es bricht wie ein irres Rind!
Hinducket das Knäblein zage.

Vom Ufer starret Gestumpf hervor,
Unheimlich nicket die Föhre,
Der Knabe rennt, gespannt das Ohr,
Durch Riesenhalme wie Speere;
Und wie es rieselt und knittert darin!
Das ist die unselige Spinnerin,
Das ist die gebannte Spinnlenor´,
Die den Haspel dreht im Geröhre!

Voran, voran! nur immer im Lauf,
Voran, als woll es ihn holen!
Vor seinem Fuße brodelt es auf,
Es pfeift ihm unter den Sohlen
Wie eine gespenstische Melodei;
Das ist der Geigemann ungetreu,
Das ist der diebische Fiedler Kanuf,
Der den Hochzeitheller gestohlen!

Da birst das Moor, ein Seufzer geht
Hervor aus der klaffenden Höhle;
Weh, weh, da ruft die verdammte Margret:
"Ho, ho, meine arme Seele!"
Der Knabe springt wie ein wundes Reh;
Wär nicht Schutzengel in seiner Näh,
Seine bleichenden Knöchelchen fände spät
Ein Gräber im Moorgeschwele.

Da mählich gründet der Boden sich,
Und drüben, neben der Weide,
Die Lampe flimmert so heimatlich,
Der Knabe steht an der Scheide.
Tief atmet er auf, zum Moor zurück
Noch immer wirft er den scheuen Blick:
Ja, im Geröhre wars fürchterlich,
O schaurig wars in der Heide!


Der Zauberlehrling
Hat der alte Hexenmeister 
Sich doch einmal wegbegeben! 
Und nun sollen seine Geister 
Auch nach meinem Willen leben. 
Seine Wort und Werke 
Merkt ich und den Brauch, 
Und mit Geistesstärke 
Tu ich Wunder auch. 
Walle! walle 
Manche Strecke, 
Daß, zum Zwecke, 
Wasser fließe 
Und mit reichem, vollem Schwalle 
Zu dem Bade sich ergieße. 
Und nun komm, du alter Besen, 
Nimm die schlechten Lumpenhüllen! 
Bist schon lange Knecht gewesen: 
Nun erfülle meinen Willen! 
Auf zwei Beinen stehe, = 
Oben sei ein Kopf, 
Eile nun und gehe 
Mit dem Wassertopf! 
Walle! walle 
Manche Strecke, 
Daß, zum Zwecke, 
Wasser fließe 
Und mit reichem, vollem Schwalle 
Zu dem Bade sich ergieße. 
Seht, er läuft zum Ufer nieder! 
Wahrlich! ist schon an dem Flusse, 
Und mit Blitzesschnelle wieder 
Ist er hier mit raschem Gusse. 
Schon zum zweiten Male! 
Wie das Becken schwillt! 
Wie sich jede Schale 
Voll mit Wasser füllt! 
Stehe! stehe! 
Denn wir haben 
Deiner Gaben 
Vollgemessen! - 
Ach, ich merk es! Wehe! wehe! 
Hab ich doch das Wort vergessen! 
Ach, das Wort, worauf am Ende 
Er das wird, was er gewesen! 
Ach, er läuft und bringt behende! 
Wärst du doch der alte Besen! 
Immer neue Güsse 
Bringt er schnell herein, 
Ach, und hundert Flüsse 
Stürzen auf mich ein! 
Nein, nicht länger 
Kann ichs lassen: 
Will ihn fassen! 
Das ist Tücke! 
Ach, nun wird mir immer bänger! 
Welche Miene! welche Blicke! 
O, du Ausgeburt der Hölle! 
Soll das ganze Haus ersaufen? 
Seh ich über jede Schwelle 
Doch schon Wasserströme laufen. 
Ein verruchter Besen, = 
Der nicht hören will! 
Stock, der du gewesen, 
Steh doch wieder still! 
Willst am Ende 
Gar nicht lassen? 
Will dich fassen, 
Will dich halten 
Und das alte Holz behende 
Mit dem scharfen Beile spalten! 
Seht, da kommt er schleppend wieder! 
Wie ich mich nur auf dich werfe, 
Gleich, o Kobold, liegst du nieder; 
Krachend trifft die glatte Schärfe. 
Wahrlich! brav getroffen! = 
Seht, er ist entzwei! 
Und nun kann ich hoffen, 
Und ich atme frei! 
Wehe! wehe! 
Beide Teile 
Stehn in Eile 
Schon als Knechte 
Völlig fertig in die Höhe! 
Helft mir, ach! ihr hohen Mächte! 
Und sie laufen! Naß und nässer 
Wirds im Saal und auf den Stufen: 
Welch entsetzliches Gewässer! 
Herr und Meister, hör mich rufen! - 
Ach, da kommt der Meister! 
Herr, die Not ist groß! 
Die ich rief, die Geister, 
Werd ich nun nicht los. 
"In die Ecke, 
Besen! Besen! 
Seids gewesen! 
Denn als Geister 
Ruft euch nur, zu seinem Zwecke, 
Erst hervor der alte Meister." 
Johann Wolfgang von Goethe
Das Lied von der Glocke

          Fest gemauert in der Erden
          Steht die Form, aus Lehm gebrannt.
          Heute muß die Glocke werden.
          Frisch Gesellen, seid zur Hand.
          Von der Stirne heiß
          Rinnen muß der Schweiß,
          Soll das Werk den Meister loben,
          Doch der Segen kommt von oben.

               Zum Werke, das wir ernst bereiten,
               Geziemt sich wohl ein ernstes Wort;
               Wenn gute Reden sie begleiten,
               Dann fließt die Arbeit munter fort.
               So laßt uns jetzt mit Fleiß betrachten,
               Was durch die schwache Kraft entspringt,
               Den schlechten Mann muß man verachten,
               Der nie bedacht, was er vollbringt.
               Das ist's ja, was den Menschen zieret,
               Und dazu ward ihm der Verstand,
               Daß er im innern Herzen spüret,
               Was er erschafft mit seiner Hand.

          Nehmet Holz vom Fichtenstamme,
          Doch recht trocken laßt es sein,
          Daß die eingepreßte Flamme
          Schlage zu dem Schwalch hinein.
               Kocht des Kupfers Brei,
               Schnell das Zinn herbei,
          Daß die zähe Glockenspeise
          Fließe nach der rechten Weise.

               Was in des Dammes tiefer Grube
               Die Hand mit Feuers Hülfe baut,
               Hoch auf des Turmes Glockenstube
               Da wird es von uns zeugen laut.
               Noch dauern wird's in späten Tagen
               Und rühren vieler Menschen Ohr
               Und wird mit dem Betrübten klagen
               Und stimmen zu der Andacht Chor.
               Was unten tief dem Erdensohne
               Das wechselnde Verhängnis bringt,
               Das schlägt an die metallne Krone,
               Die es erbaulich weiterklingt.

          Weiße Blasen seh ich springen,
          Wohl! Die Massen sind im Fluß.
          Laßt's mit Aschensalz durchdringen,
          Das befördert schnell den Guß.
              Auch von Schaume rein
              Muß die Mischung sein,
          Daß vom reinlichen Metalle
          Rein und voll die Stimme schalle.

               Denn mit der Freude Feierklange
               Begrüßt sie das geliebte Kind
               Auf seines Lebens erstem Gange,
               Den es in Schlafes Arm beginnt;
               Ihm ruhen noch im Zeitenschoße
               Die schwarzen und die heitern Lose,
               Der Mutterliebe zarte Sorgen
               Bewachen seinen goldnen Morgen.-
               Die Jahre fliehen pfeilgeschwind.
               Vom Mädchen reißt sich stolz der Knabe,
               Er stürmt ins Leben wild hinaus,
               Durchmißt die Welt am Wanderstabe.
               Fremd kehrt er heim ins Vaterhaus,
               Und herrlich, in der Jugend Prangen,
               Wie ein Gebild aus Himmelshöhn,
               Mit züchtigen, verschämten Wangen
               Sieht er die Jungfrau vor sich stehn.
               Da faßt ein namenloses Sehnen
               Des Jünglings Herz, er irrt allein,
               Aus seinen Augen brechen Tränen,
               Er flieht der Brüder wilder Reihn.
               Errötend folgt er ihren Spuren
               Und ist von ihrem Gruß beglückt,
               Das Schönste sucht er auf den Fluren,
               Womit er seine Liebe schmückt.
               O! zarte Sehnsucht, süßes Hoffen,
               Der ersten Liebe goldne Zeit,
               Das Auge sieht den Himmel offen,
               Es schwelgt das Herz in Seligkeit.
               O! daß sie ewig grünen bliebe,
               Die schöne Zeit der jungen Liebe!

          Wie sich schon die Pfeifen bräunen!
          Dieses Stäbchen tauch ich ein,
          Sehn wir's überglast erscheinen,
          Wird's zum Gusse zeitig sein.
              Jetzt, Gesellen, frisch!
              Prüft mir das Gemisch,
          Ob das Spröde mit dem Weichen
          Sich vereint zum guten Zeichen.

               Denn wo das Strenge mit dem Zarten,
               Wo Starkes sich und Mildes paarten,
               Da gibt es einen guten Klang.
               Drum prüfe, wer sich ewig bindet,
               Ob sich das Herz zum Herzen findet!
               Der Wahn ist kurz, die Reu ist lang.
               Lieblich in der Bräute Locken
               Spielt der jungfräuliche Kranz,
               Wenn die hellen Kirchenglocken
               Laden zu des Festes Glanz.
               Ach! des Lebens schönste Feier
               Endigt auch den Lebensmai,
               Mit dem Gürtel, mit dem Schleier
               Reißt der schöne Wahn entzwei.
               Die Leidenschaft flieht!
               Die Liebe muß bleiben,
               Die Blume verblüht,
               Die Frucht muß treiben.
               Der Mann muß hinaus
               Ins feindliche Leben,
               Muß wirken und streben
               Und pflanzen und schaffen,
               Erlisten, erraffen,
               Muß wetten und wagen,
               Das Glück zu erjagen.
               Da strömet herbei die unendliche Gabe,
               Es füllt sich der Speicher mit köstlicher Habe,
               Die Räume wachsen, es dehnt sich das Haus.
               Und drinnen waltet
               Die züchtige Hausfrau,
               Die Mutter der Kinder,
               Und herrschet weise
               Im häuslichen Kreise,
               Und lehret die Mädchen
               Und wehret den Knaben,
               Und reget ohn Ende
               Die fleißigen Hände,
               Und mehrt den Gewinn
               Mit ordnendem Sinn.
               Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden,
               Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden,
               Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein
               Die schimmernde Wolle, den schneeigten Lein,
               Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer,
               Und ruhet nimmer.

               Und der Vater mit frohem Blick
               Von des Hauses weitschauendem Giebel
               Überzählet sein blühendes Glück,
               Siehet der Pfosten ragende Bäume
               Und der Scheunen gefüllte Räume
               Und die Speicher, vom Segen gebogen,
               Und des Kornes bewegte Wogen,
               Rühmt sich mit stolzem Mund:
               Fest, wie der Erde Grund,
               Gegen des Unglücks Macht
               Steht mit des Hauses Pracht!
               Doch mit des Geschickes Mächten
               Ist kein ewger Bund zu flechten,
               Und das Unglück schreitet schnell.

          Wohl! nun kann der Guß beginnen,
          Schön gezacket ist der Bruch.
          Doch bevor wir's lassen rinnen,
          Betet einen frommen Spruch!
              Stoßt den Zapfen aus!
              Gott bewahr das Haus!
          Rauchend in des Henkels Bogen
          Schießt's mit feuerbraunen Wogen.

               Wohtätig ist des Feuers Macht,
               Wenn sie der Mensch bezähmt, bewacht,
               Und was er bildet, was er schafft,
               Das dankt er dieser Himmelskraft,
               Doch furchtbar wird die Himmelskraft,
               Wenn sie der Fessel sich entrafft,
               Einhertritt auf der eignen Spur
               Die freie Tochter der Natur.
               Wehe, wenn sie losgelassen
               Wachsend ohne Widerstand
               Durch die volkbelebten Gassen
               Wälzt den ungeheuren Brand!
               Denn die Elemente hassen
               Das Gebild der Menschenhand.
               Aus der Wolke
               Quillt der Segen,
               Strömt der Regen,
               Aus der Wolke, ohne Wahl,
               Zuckt der Strahl!
               Hört ihr's wimmern hoch vom Turm?
               Das ist Sturm!
               Rot wie Blut
               Ist der Himmel,
               Das ist nicht des Tages Glut!
               Welch Getümmel
               Straßen auf!
               Dampf wallt auf!
               Flackernd steigt die Feuersäule,
               Durch der Straße lange Zeile
               Wächst es fort mit Windeseile,
               Kochend wie aus Ofens Rachen
               Glühn die Lüfte, Balken krachen,
               Pfosten stürzen, Fenster klirren,
               Kinder jammern, Mütter irren,
               Tiere wimmern
               Unter Trümmern,
               Alles rennet, rettet, flüchtet,
               Taghell ist die Nacht gelichtet;
               Durch der Hände lange Kette
               Um die Wette
               Fliegt der Eimer, hoch im Bogen
               Spritzen Quellen, Wasserwogen.
               Heulend kommt der Sturm geflogen,
               Der die Flamme brausend sucht.
               Prasselnd in die dürre Frucht
               Fällt sie in des Speichers Räume,
               In der Sparren dürre Bäume,
               Und als wollte sie im Wehen
               Mit sich fort der Erde Wucht
               Reißen, in gewaltger Flucht,
               Wächst sie in des Himmels Höhen
               Riesengroß!
                              Hoffnungslos
               Weicht der Mensch der Götterstärke,
               Müßig sieht er seine Werke
               Und bewundernd untergehn.

               Leergebrannt
               Ist die Stätte,
               Wilder Stürme rauhes Bette,
               In den öden Fensterhöhlen
               Wohnt das Grauen,
               Und des Himmels Wolken schauen
               Hoch hinein.

               Einen Blick
               Nach den Grabe
               Seiner Habe
               Sendet noch der Mensch zurück -
               Greift fröhlich dann zum Wanderstabe.
               Was Feuers Wut ihm auch geraubt,
               Ein süßer Trost ist ihm geblieben,
               Er zählt die Haupter seiner Lieben,
               Und sieh! ihm fehlt kein teures Haupt.

          In die Erd ist's aufgenommen,
          Glücklich ist die Form gefüllt,
          Wird's auch schön zutage kommen,
          Daß es Fleiß und Kunst vergilt?
              Wenn der Guß mißlang?
              Wenn die Form zersprang?
          Ach! vielleicht indem wir hoffen,
          Hat uns Unheil schon getroffen.

               Dem dunkeln Schoß der heilgen Erde
               Vertrauen wir der Hände Tat,
               Vertraut der Sämann seine Saat
               Und hofft, daß sie entkeimen werde
               Zum Segen, nach des Himmels Rat.
               Noch köstlicheren Samen bergen
               Wir trauernd in der Erde Schoß
               Und hoffen, daß er aus den Särgen
               Erblühen soll zu schönerm Los.

               Von dem Dome,
               Schwer und bang,
               Tönt die Glocke
               Grabgesang.
               Ernst begleiten ihre Trauerschläge
               Einen Wandrer auf dem letzten Wege.

               Ach! die Gattin ist's, die teure,
               Ach! es ist die treue Mutter,
               Die der schwarze Fürst der Schatten
               Wegführt aus dem Arm des Gatten,
               Aus der zarten Kinder Schar,
               Die sie blühend ihm gebar,
               Die sie an der treuen Brust
               Wachsen sah mit Mutterlust -
               Ach! des Hauses zarte Bande
               Sind gelöst auf immerdar,
               Denn sie wohnt im Schattenlande,
               Die des Hauses Mutter war,
               Denn es fehlt ihr treues Walten,
               Ihre Sorge wacht nicht mehr,
               An verwaister Stätte schalten
               Wird die Fremde, liebeleer.

          Bis die Glocke sich verkühlet,
          Laßt die strenge Arbeit ruhn,
          Wie im Laub der Vogel spielet,
          Mag sich jeder gütlich tun.
              Winkt der Sterne Licht,
              Ledig aller Pflicht
          Hört der Bursch die Vesper schlagen,
          Meister muß sich immer plagen.

               Munter fördert seine Schritte
               Fern im wilden Forst der Wandrer
               Nach der lieben Heimathütte.
               Blökend ziehen
               Heim die Schafe,
               Und der Rinder
               Breitgestirnte, glatte Scharen
               Kommen brüllend,
               Die gewohnten Ställe füllend.
               Schwer herein
               Schwankt der Wagen,
               Kornbeladen,
               Bunt von Farben
               Auf den Garben
               Liegt der Kranz,
               Und das junge Volk der Schnitter
               Fliegt zum Tanz.
               Markt und Straße werden stiller,
               Um des Lichts gesellge Flamme
               Sammeln sich die Hausbewohner,
               Und das Stadttor schließt sich knarrend.
               Schwarz bedecket
               Sich die Erde,
               Doch den sichern Bürger schrecket
               Nicht die Nacht,
               Die den Bösen gräßlich wecket,
               Denn das Auge des Gesetzes wacht.

               Heilge Ordnung, segenreiche
               Himmelstochter, die das Gleiche
               Frei und leicht und freudig bindet,
               Die der Städte Bau begründet,
               Die herein von den Gefilden
               Rief den ungesellgen Wilden,
               Eintrat in der Menschen Hütten,
               Sie gewöhnt zu sanften Sitten
               Und das teuerste der Bande
               Wob, den Trieb zum Vaterlande!

               Tausend fleißge Hände regen,
               helfen sich in munterm Bund,
               Und in feurigem Bewegen
               Werden alle Kräfte kund.
               Meister rührt sich und Geselle
               In der Freiheit heilgem Schutz.
               Jeder freut sich seiner Stelle,
               Bietet dem Verächter Trutz.
               Arbeit ist des Bürgers Zierde,
               Segen ist der Mühe Preis,
               Ehrt den König seine Würde,
               Ehret uns der Hände Fleiß.

               Holder Friede,
               Süße Eintracht,
               Weilet, weilet
               Freundlich über dieser Stadt!
               Möge nie der Tag erscheinen,
               Wo des rauhen Krieges Horden
               Dieses stille Tal durchtoben,
               Wo der Himmel,
               Den des Abends sanfte Röte
               Lieblich malt,
               Von der Dörfer, von der Städte
               Wildem Brande schrecklich strahlt!

          Nun zerbrecht mir das Gebäude,
          Seine Absicht hat's erfüllt,
          Daß sich Herz und Auge weide
          An dem wohlgelungnen Bild.
              Schwingt den Hammer, schwingt,
              Bis der Mantel springt,
          Wenn die Glock soll auferstehen,
          Muß die Form in Stücke gehen.

               Der Meister kann die Form zerbrechen
               Mit weiser Hand, zur rechten Zeit,
               Doch wehe, wenn in Flammenbächen
               Das glühnde Erz sich selbst befreit!
               Blindwütend mit des Donners Krachen
               Zersprengt es das geborstne Haus,
               Und wie aus offnem Höllenrachen
               Speit es Verderben zündend aus;
               Wo rohe Kräfte sinnlos walten,
               Da kann sich kein Gebild gestalten,
               Wenn sich die Völker selbst befrein,
               Da kann die Wohlfahrt nicht gedeihn.

               Weh, wenn sich in dem Schoß der Städte
               Der Feuerzunder still gehäuft,
              Das Volk, zerreißend seine Kette,
               Zur Eigenhilfe schrecklich greift!
               Da zerret an der Glocken Strängen
               Der Aufruhr, daß sie heulend schallt
               Und, nur geweiht zu Friedensklängen,
              Die Losung anstimmt zur Gewalt.

               Freiheit und Gleichheit! hört man schallen,
               Der ruhge Bürger greift zur Wehr,
               Die Straßen füllen sich, die Hallen,
               Und Würgerbanden ziehn umher,

               Da werden Weiber zu Hyänen
               Und treiben mit Entsetzen Scherz,
               Noch zuckend, mit des Panthers Zähnen,
               Zerreißen sie des Feindes Herz.
               Nichts Heiliges ist mehr, es lösen
               Sich alle Bande frommer Scheu,
               Der Gute räumt den Platz dem Bösen,
               Und alle Laster walten frei.

               Gefährlich ist's, den Leu zu wecken,
               Verderblich ist des Tigers Zahn,
               Jedoch der schrecklichste der Schrecken,
               Das ist der Mensch in seinem Wahn.
               Weh denen, die dem Ewigblinden
               Des Lichtes Himmelsfackel leihn!
               Sie strahlt ihm nicht, sie kann nur zünden
               Und äschert Städt und Länder ein.

          Freude hat mir Gott gegeben!
          Sehet! Wie ein goldner Stern
          Aus der Hülse, blank und eben,
          Schält sich der metallne Kern.
              Von dem Helm zum Kranz
              Spielt's wie Sonnenglanz,
          Auch des Wappens nette Schilder
          Loben den erfahrnen Bilder.

               Herein! herein!
               Gesellen alle, schließt den Reihen,
               Daß wir die Glocke taufend weihen,
               Concordia soll ihr Name sein,
               Zur Eintracht, zu herzinnigem Vereine
               Versammle sich die liebende Gemeine.

               Und dies sei fortan ihr Beruf,
               Wozu der Meister sie erschuf!
               Hoch überm niedern Erdenleben
               Soll sie im blauen Himmelszelt
               Die Nachbarin des Donners schweben
               Und grenzen an die Sternenwelt,
               Soll eine Stimme sein von oben,
               Wie der Gestirne helle Schar,
               Die ihren Schöpfer wandelnd loben
               Und führen das bekränzte Jahr.
               Nur ewigen und ernsten Dingen
               Sei ihr metallner Mund geweiht,
               Und stündlich mit den schnellen Schwingen
               Berühr im Fluge sie die Zeit,
               Dem Schicksal leihe sie die Zunge,
               Selbst herzlos, ohne Mitgefühl,
               Begleite sie mit ihrem Schwunge
               Des Lebens wechselvolles Spiel.
               Und wie der Klang im Ohr vergehet,
               Der mächtig tönend ihr erschallt,
               So lehre sie, daß nichts bestehet,
               Daß alles Irdische verhallt.

          Jetzo mit der Kraft des Stranges
          Wiegt die Glock mir aus der Gruft,
          Daß sie in das Reich des Klanges
          Steige, in die Himmelsluft.
              Ziehet, ziehet, hebt!
              Sie bewegt sich, schwebt,
          Freude dieser Stadt bedeute,
          Friede sei ihr erst Geläute.